Gastbeitrag #4: Schau in mein (Wut-)Gesicht!

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Ein Erfahrungsbericht zum Maskentheaterworkshop „Wutgesicht“ von Christina Schöner

Wut. Wir alle kennen sie. Manchmal staut sie sich in uns an, bis wir es nicht mehr aushalten. Dann platzt uns sprichwörtlich der Kragen und wir machen unseren Gefühlen freien Lauf. Vielleicht werden wir sogar von ihr ergriffen und fortgespült. Doch so bekannt uns diese Emotion ist, so unterschiedlich sind ihre Ursprünge und Ausdrucksformen in jedem von uns. Wie sich Wut im Menschen äußern kann, durfte ich an zwei Tagen als Teilnehmerin eines Maskentheaterworkshops im Rahmen der Ausstellung „Töten“ im Kunstpalais erfahren.

Tag 1

Vorbesprechungen und erste Theaterexperimente

Basis des Workshops war ein Ausstellungsrundgang mit der Gruppe. Gemeinsam besprachen wir ausgewählte Werke: Was sehen wir, wie sehen wir es, was rufen die Werke der Ausstellung in uns hervor? Spüren wir etwa Wut über das Gezeigte? Wie wird Wut in den künstlerischen Arbeiten thematisiert? Nach dem Rundgang begannen erste Aufwärm- und Reflexionsübungen mit dem Spiel mit unseren Namen. In verschiedenen Lautstärken, Betonungen, Intonationen und Emotionszuständen und kleinen Szenen experimentierten wir mit der Bewegung im Raum. Die Szenen werden intensiver und beruhigen sich wieder. Durch Meditation besinnen wir uns der eigenen Gefühle, dem eigenen Befinden. Existiert Wut im eigenen Körper, wo ist diese verortet und wie fühlt sie sich an? Habe ich bereits eine Idee, wie die Wutmaske aussieht? Nach dieser Selbstwahrnehmung wird die Wahrnehmung des Gegenübers erprobt. Zu Paaren versetzen wir uns in den Anderen: Was macht iwohl wütend und wie könnte Deine Wutmaske aussehen?

Ab in die Praxis

Nun endlich geht es in die Praxis! Wir finden uns in Teams zusammen und besprechen unsere Ideen. Es wird die Form der Maske diskutiert – Halb- oder Vollgesichtsmaske, ob Öffnungen für Augen, Mund und Nase vorhanden sein sollen, oder nicht. Oder ob etwa Einarbeitungen oder Strukturierungen bereits von vornherein eingebunden werden sollen. Dann wird losgelegt. Binden zerschnippelt, Gipsbinden mit Wasser getränkt. Dabei nur nicht vergessen, sich dick einzucremen und dabei möglichst keine Stelle auslassen. Nicht das jemand eine unbeabsichtigte Haarentfernung bekommt! Nach einer kurzen Antrocknungszeit können die Masken wieder vom Gesicht gelöst werden –was für ein Freiheitsgefühl! Auf den fertigen Maskenrohling, werden noch Details modelliert. Nun schnell, die Zeit ist fast schon um. Im Sprint wird die letzte Maske beendet, bevor alle sich in den Restsamstag verabschieden. Derweil härten unsere Masken friedlich aus und schlafen in den nächsten Tag hinein.

Hier ein paar Einrücke vom ersten Workshoptag:

Tag 2

Emotionsspiele – Aufwärmübungen

Am zweiten Workshoptag begannen wir vor dem Fertigstellen der Masken mit mehreren Theaterübungen. Zunächst wärmten wir uns durch Bewegung auf und erschlossen so den Raum. Dann verbanden wir diese mit verschiedenen Emotionen oder Körperzuständen. Wir spielen für uns allein und dann paarweise. Mit unserem Gegenüber probieren wir Emotionen aus. Stellen sie gegenüber, gehen aufeinander ein oder blockieren sogar das Spiel des anderen. Wir fragen uns in einer abschließenden Besprechung: Vermitteln wir die Emotion glaubhaft? Noch einmal wird die eigene Wut mit einem Gesprächspartner reflektiert. Ursachen und Äußerungen erläutert. Dann wird erneut meditiert. Über die Verortung der Wut in unserem Körper. Über ihre Gestalt, Form und Farbe.

Maskenfinish

Nach dieser Meditation ist der Kurs eingestellt auf die zweite Kreativphase. Wir beginnen, unseren Vorstellungen konkrete Gestalt auf dem Maskenrohling zu geben. Erste Ideen, die am Vortag entstanden sind, konkretisieren sich in Form und Farbe. Wir schnippeln, schneiden, schaben und bohren, bearbeiten den Rohling auf unterschiedlichste Weise. Gipsformen scheinen in das künstliche Gesicht zu fließen oder umkränzen es strahlengleich. Erste Entwürfe werden im Arbeitsprozess wieder verworfen. Farben geändert. Formen zugunsten anderer aufgegeben. Wir tragen Farbe auf. Rot, gelb, grün. Blau und rot, schwarz und weiß. Gemischt oder in leuchtender Reinform. Tupfen, streichen, sprenkeln, stricheln. Ziehen Konturen nach, akzentuieren mit anderen Materialien. Auf Höhen schimmert Glitter. Federn wachsen Auswüchsen ähnelnd aus der Maske hinaus. Schnüre schlängeln sich tentakelgleich in alle Richtungen. Ab und zu halten wir inne, probieren die Maske auf. Betrachten uns im Spiegel – ist das meine Wutmaske?

Das Spiel mit den Masken oder: Ich bin die Wut in dir

In der Gruppe positionieren wir uns vor der Maske. Zunächst erläutern wir ihr Äußeres, aus der Position ihres Schöpfers. und versetzen uns dann in sie hinein. Wir beschreiben uns selbst, die Wutmaske. Wie sehe ich aus und was tue ich für meinen Träger? Weshalb war ich, die Maske oder mein Träger, das letzte Mal wütend und wie soll sich das äußern? Wie wirkt es, wenn jemand anders die Maske trägt? Der Übergang in die Spielphase ist fließend. Wir bewegen uns mit Maske durch den Raum. Setzen sie auf, setzen sie ab. Begegnen anderen Masken. Äußern unsere besonderen Eigenheiten in Lauten und Gesten. Führen der Gruppe vor, wie die Maske wirkt, wenn sie sich alleine auf die Gruppe zubewegt. Und diskutieren über die verschiedenen Eindrücke. Danach bewegen wir uns noch einmal mit unseren Masken durch den Raum. Dabei versuchen wir, unser ganz eigenes Standbild und einen Gruppenlaut zu finden.

Als Fazit des Wochenendes kann man die folgenden Worte verwenden: Intensiv. Ungewohnt. Persönlich. Und dennoch unbedingt eine Erfahrung wert.

Abschließend noch Impressionen vom letzten Workshoptag:

Zur Person: Christina Schöner studiert Kunstgeschichte und Pädagogik und ist zurzeit Praktikantin im Kunstpalais.

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